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Sechs Geländewagen im Praxistest Abenteuer Offroad: Wer setzt sich durch?

Foto: SPX/Benjamin Bessinger 11 Bilder

Mit am Start: Land Rover Defender, Mercedes G-Klasse, Mitsubishi L200, Nissan Patrol, Suzuki Jimny und Toyota Land Cruiser. Wir verraten, welcher Geländewagen sich am besten geschlagen hat. Die schönsten Impressionen sehen Sie in unserer Bildergalerie.

Es ist halb zehn am Abend, es scheint in dicken Flocken, die mondlose Nacht ist stockfinster und Minute für Minute kriecht die Kälte tiefer in die Knochen – normale Menschen sitzen jetzt daheim, genießen eine heiße Suppe oder legen vor dem Fernseher im warmen Wohnzimmer die Füße hoch. Doch in diesem dreckigen Dutzend ist keiner normal. Jeder, der hier am Hang oberhalb von Nowa Ruda steht, ist extra in den südwestlichsten Zipfel Polens gefahren und hat 1.500 Euro dafür bezahlt, dass ihn Tourguide Elmar und sein lokaler Pfadfinder Vladek so weit von dieser abendlichen Idylle wegführen, wie es nur eben möglich ist.

Abenteuer 4x4 Wintertour

Denn sie alle haben beim Reiseveranstalter Abenteuer 4x4 eine Wintertour im Geländewagen gebucht und fluchen deshalb jetzt am Fuß jenes Hanges, der sie vom ersehnten Nachtmahl am Lagerfeuer trennt. Schließlich gibt es statt eines Weges nach oben nur eine tiefe Spur durch Hecken, Wald und Wiesen, und die ist nicht nur steil, sondern auch verschneit und darunter schlammig. „Und da sollen wir rauf?“, fragt Boris, während sein Blick nervös zwischen seinem Suzuki Jimny auf der einen und dem Aufstieg auf der anderen Seite wechselt und Vladek von oben aus dem Funk plärrt, wo die Truppe denn nur bleibe. „Gulasch wird kalt“, knarzt es auf Kanal 16.

Ohne Schneeketten geht nichts

„Hilft ja nix“, knurren die Teilnehmer, und während die einen auf wackeligen Beinen vorsichtig den Anstieg wagen, um sich erst einmal ein Bild von der Herausforderung zu machen und den besten Weg zu suchen, zurren die anderen noch einmal die Schneeketten fest, schalten wo nötig den Allrad zu, legen die Untersetzung und die Sperren ein und richten den Bug zum Berg aus. Dann erfüllt lautes Dieselgrollen den Wald, der Matsch spritzt meterweit und einer nach dem anderen kämpft sich die knietiefe Spur hinauf, bis im Schneetreiben nur noch die Rückleuchten zu sehen sind.

Jeder zweite bleibt auf der Hälfte stecken

Dumm nur, dass schon der Zweite auf der Hälfte stecken bleibt, und es für jeden danach nur schwerer wird, weil die Spurrillen tiefer und die Oberflächen glatter werden. Damit beginnt eine Plackerei, die sich buchstäblich in die Länge zieht. Denn statt mit eigener Kraft kämpfen sich die Autos jetzt mit der Winde am Seil nach oben, und wo es keinen Baum zum Befestigen gibt, muss der Wagen eines anderen Teilnehmers herhalten. Zumindest wenn er genügend Halt findet, um nicht wieder hinabgezogen zu werden. Also stapfen immer mehr Menschen mit Handschuhen und Stirnlampen durch den Schnee, spannen Seile, schließen Schäkel, legen zum Schutz der Rinde Gurte um die Bäume und lassen die Winden wimmern, nur damit ihre Autos Meter für Meter dem Gipfel näherkommen. „Was für Dreckskarren“, ruft einer, und er meint es ganz sicher nicht abwertend.

Hier trennt sich die Spreu vom Weizen, der SUV- vom Geländewagenfahrer

Denn statt zu schimpfen und zu fluchen und sich darüber zu ärgern, dass die Klamotten jetzt vor Schnee und Schlamm starren, hat jeder in der Gruppe ein Grinsen im Gesicht und alle strahlen heller als der Mond, der sich in dieser Nacht ohne nicht blicken lässt. Denn genau deshalb sind sie hier: Mit jedem Meter näher am Gipfel fühlen sie sich mehr wie echte Abenteurer. Es sind Momente wie diese, in denen sich die Spreu vom Weizen, der SUV- vom Geländewagenfahrer trennt. Egal ob Männlein oder Weiblein – das hier sind Dreckskerle, und sie sind mächtig stolz darauf. Denn sie kommen mit ihren Autos weiter, als sich die meisten in ihren Luxus-SUV nur träumen lassen. Von all den anderen Möchtegerngeländewagen vor der Kita und dem Bioladen ganz zu schweigen. Und außerdem schmeckt die Gulaschsuppe nachher am Lagerfeuer umso besser, wenn man erstmal richtig durchgefroren ist. Wenn da nur nicht noch der Abstieg wäre. Denn irgendwie müssen die Autos ja auch wieder runter vom Berg, raus aus den Wäldern und heim ins Hotel.

Fahrer sind an ihren Grenzen

Dieser nächtliche Aufstieg ist buchstäblich der Gipfel eines viertägigen Abenteuerurlaubs, der Autos vom Schlage eines Land Rover Defender, einer Mercedes G-Klasse, eines Toyota Land Cruiser oder Nissan Patrol durchs Unterholz führt und immer wieder an ihre Grenzen bringt.

Mitsubishi L200 taugt auch als Bergziege

Die allermeisten davon sind das gewöhnt, tragen die Aufkleber von Fahrten in Rumänien oder Afrika wie Orden auf ihrem stumpfen Blech und stellen die unvermeidlichen Dellen von Bäumen und Steinen, mit denen hier jeder irgendwann mal zu engen Kontakt hat, stolz zur Schau. Nur drei glänzen hier noch neu und unbehelligt: Christophs Wrangler macht hier genau wie Boris’ Jimny seine Jungfernfahrt und den blauen Mitsubishi L200 hat erst recht keiner auf dem Zettel.

Zwar ist der Pick-up weltweit ein Bestseller und in den Dschungeln etwa in Thailand ein Dauerbrenner, wird aber in Deutschland mit Blick auf die CO2-Bilanz des Importeurs gerade nicht mehr angeboten und ist deshalb zu Preisen um die 30.000 Euro gerade nur noch als Tages- oder Kurzzeitzulassung und natürlich noch billiger als Gebrauchter zu haben. Und während die Teilnehmer die Achskonstruktion jedes ernsthaften Geländewagens im Schlaf zusammenbringen, Rampenwinkel auswendig aufsagen und stundenlang über die Sperren diskutieren können, verschlägt es ihnen bei dem Pritschenwagen in der polnischen Pampa die Sprache. Und zwar vor Lachen. Denn Winde hin und LED-Balken auf dem Dach her – dass der Packesel auch als Bergziege taugt, will erstmal keiner glauben. Erst recht nicht mit gewöhnlichen Winterreifen. Doch dieses Lachen wird ihnen noch im Halse stecken bleiben, und wer zuletzt lacht, lacht bekanntlich am längsten.

Grobstolligen Reifen, Flutlicht und Winden

Vorne Vladek als Pfadfinder, hinten Norbert mit seiner weißen G-Klasse als Besenwagen und dazwischen alte Hasen und die drei Rookies - ausgerüstet mit extra grobstolligen Reifen, Flutlicht und Winden und durch die Bank weg mit extra viel Bodenfreiheit, pflügt die bunte Truppe viele Stunden am Tag über Feld- und Waldwege, die man bei diesem Wetter nicht einmal zu Fuß bezwingen möchte, wühlt sich durch Schlammlöcher, bis die braune Brühe kurz unter dem Scheibenrand steht, kraxelt über zahllose Äste, die unter der Last des Eises von den Bäumen gebrochen sind und winden sich am Seil über Felsstufen oder Steilhänge dem nächsten Zwischenziel entgegen. Und mit jedem Kilometer wächst die Achtung vor dem blauen Sonderling, der überraschend gut mithält.

Klar, seine Bodenfreiheit ist trotz angehobenem Offroad-Fahrwerk nicht die beste. Und immer mal wieder erschüttern schmerzhafte Schläge die Kabine, wenn der mit rustikalen Blattfedern und einem stabilen Leiterrahmen konstruierte Koloss irgendwo auf eine Kuppe knallt, dass die eigens unter die Weichteile geschraubten Stahlbleche ächzen. Doch mit seinen 150 PS und vor allem den 400 Nm beißt sich der Mitsubishi überall durch, erst recht mit aktivierter Untersetzung, Zentral- und Hinterachssperre. Immer öfter mischt sich in das Brummen des 2,3 Liter großen Vierzylinder-Diesels deshalb auch das Knurren einer zaghaften, aber zunehmenden Anerkennung, die sich die Pampa-Profis abringen lassen.

20 cm Neuschnee, wer noch Traktion hat

Das gilt erst recht ab Tag drei der Tour. Denn spätestens als in der zweiten Nacht noch einmal 20 Zentimeter Neuschnee fallen, ist es auf den Wiesenwegen bei den meisten vorbei mit der Traktion. Egal ob Norbert mit seiner G-Klasse, Heiko mit seinem Defender oder Dirk mit seinem Patrol, alle, aber wirklich alle, ziehen jetzt die Ketten auf. Irgendwann kniet jeder im Schnee und friemelt die schweren Glieder zwischen die groben Stollen und fummelt im Dunkeln die Verschlüsse zusammen. Nicht dass es ihnen an Kraft oder Drehmoment fehlen würde mit ihren riesigen Motoren, aber Grip gibt es hier für sie halt keinen mehr. Zu hart und zu grob sind ihre Zackenreifen, als dass sie Halt im losen Schnee oder dem Eis darunter finden würden.

Mitsubishi nimmt die G-Klasse an den Haken

Nur einer kämpft sich tapfer ohne Ketten voran: Ausgerechnet der Mitsubishi, über den sie vorher alle gelacht haben, beißt sich auf seinen butterweichen Bridgestones mit den messerscharfen Lamellen so hungrig durch die Winterlandschaft, dass er am Ende sogar die G-Klasse an den Haken nimmt und aus dem gröbsten Dreck schleppt.

Abenteuerliche Bachläufe, schlammige Steigungen, dreckige Kuhlen und immer wieder tief verschneite Wiesen und Wege, der harte Einsatz an der Winde oder mit dem Klappspaten – nach vier Tagen in den Wäldern um Nowa Ruda sehen Menschen und Maschinen gleichermaßen geschunden aus. Die Hände sind aufgerissen von der Arbeit am Seil, die Winden dick vom Eis verkrustet und auch beim anfangs noch strahlenden Mitsubishi ist der Lack verkratzt von den eisigen Ästen an viel zu schmalen Wegen. Die Insassen tragen kaum mehr ein Stück saubere Kleidung und der Pick-up ist paniert mit Schlamm und Schnee wie das Schnitzel später beim Abendessen im einzigen Hotel am Ort, das bisweilen die Sehnsucht nach dem Sommer und dem Dachzelt weckt. Nur eines ist noch sauber: Die Schneeketten sind auf der Pritsche festgeschnallt und glänzen wir am ersten Tag.