Notrufsystem E-Call Immer an Bord

Notrufsystem E-Call Foto: Fotolia

Beim Notrufsystem E-Call geht es nicht nur um die Sicherheit, vielmehr stehen für Hersteller und Versicherungen wirtschaftliche Interessen im Vordergrund.

Bereits 2015 soll das neue europa­weite Notrufsystem E-Call Pflicht für alle Neuwagen der EU werden. Autos, die damit ausgerüstet sind, schicken bei einer Panne oder einem Unfall automatisch einen Rettungsruf in die E-Call-Zentrale. Mehr als 2.500 Menschenleben könnten laut den Prognosen der EU dadurch gerettet werden.

Handfeste wirtschaftliche Interessen

Doch es geht auch um handfeste wirtschaftliche Interessen. Schon heute ist das Interesse von Herstellern, Versicherungen und Autovermietern ungeheuer groß. Schließlich geht es um das äußerst lukrative Pannen- und Unfallgeschäft. Klar im Vorteil sind die Hersteller. Sie könnten das System so programmieren, dass gleichzeitig in der eigenen Zentrale ein Notruf eingeht. Aber auch die Versicherungen melden ihre Ansprüche an: "Bei einem kleineren Unfall möchten auch wir informiert werden", forderte Klaus-Jürgen Heitmann, Vorstand der Huk-Coburg. Mittlerweile hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft gemeinsam mit dem ADAC einen Brandbrief nach Brüssel gesandt, in dem für einen freien Markt geworben wird.

Andernfalls landen viele Autos womöglich in der Werkstatt des Herstellers, obwohl der Kunde eine Werkstattbindung mit dem Versicherer oder Leasinggeber vereinbart hat. Flottenmanager müssen daher beim Einsatz jedes Notrufsystems genau wissen, wer wann und wie informiert wird. Schon aus arbeitsrechtlichen Gründen verbietet sich jede Datenmauschelei. Michael Eckert, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Vorstandsmitglied des Deutschen Anwaltsvereins, rät Arbeitgebern und Beschäftigten, im Vorfeld von Streitigkeiten für klare Verhältnisse zu sorgen. "Zum Beispiel bei der Frage von automatischen Aufzeichnungen sollten die geltenden Regelungen für beide Seiten schriftlich festgehalten werden."

Pay-as-you-drive: Versicherungskosten fürs Fahren

Das gilt auch, wenn das System das Fahrverhalten protokolliert und diese Daten an Versicherer weiterleitet. Ein solches Protokoll könnte für sogenannte ­Pay-as-you-drive-Policen interessant sein. Hierbei fallen Versicherungskosten nur noch für die gefahrene Strecke an.

Außerdem könnte E-Call gleichzeitig als Basistechnologie für einen direkten Draht zum Autofahrer dienen. Werkstätten sehen dann beispielsweise, wann die nächste Inspektion fällig ist. Für Flottenbetreiber kann dies zwar eine große Hilfe sein, doch wer kontrolliert, ob der Werkstattbesuch auch wirklich nötig ist? Hier könnten die Kosten schnell aus dem Ruder laufen.

Allianz betreibt seit Jahren einen Ortungsservice

Schon heute bieten Hersteller und Versicherungen eigene Notrufsysteme an. So betreibt die Münchener Allianz seit einigen Jahren einen Ortungsservice, der auch als E-Call genutzt werden kann. Die Regionalversicherer bieten mit dem Copilot bereits eine automatische Notrettung an. Das Gerät lässt sich in alle Fahrzeuge einbauen und kostet rund zehn Euro/Monat. Der Kunde müsse aber nicht den vom Versicherer bestellten Abschleppwagen nutzen, betont Peter Slawik, Vorstand der Provinzial Rheinland.

"Eine Beschränkung der Informationen nur auf Notfallrettung ist kaum realistisch", schätzt Thilo Weichert, Landesbeauftragter für Datenschutz in Schleswig-Holstein. Daher müssten Systeme wie E-Call vom Autobesitzer auch abschaltbar sein. Außerdem dürften Serviceverträge nicht an E-Call gekoppelt werden. Daher gebe es noch erheblichen Regelungsbedarf. Auch die Haftungsfrage bei Fehlalarm sei zu klären.