Flach, kantig, dynamisch: Der neue Nissan Micra macht auf Athlet, darauf fährt die junge Zielgruppe ab. Nur der 900 Kubik kleine Dreizylinder passt einfach nicht ins Sportler-Bild.
Er ist klein, wendig und auf dem Boulevard zieht er die Blicke auf sich: Der Nissan Micra ist ein typischer Kleinwagen für die City. Doch gerade auf dem Laufsteg, vorbei an Bars und Cafés, schwächelt der Japaner. Anfahren sieht nämlich so aus: Im Stand ruckelt der Turbobenziner als hätte ihn Nissan nicht richtig festgezurrt. Schaltknauf, Pedale, Lenkrad, alles vibriert – nur leicht, aber es nervt. Auf den Gasfuß spricht der kleine Dreizylinder zunächst träge an, unter 2.000 Umdrehungen passiert fast gar nichts. Und gerade dann, wenn wir zwischen 2.500 und 3.000 Touren den zweiten Gang einlegen, eilt er mit voller Kraft wie aus dem Nichts los. Stümperhaft galoppieren wir die ersten Meter davon und sehen dabei aus wie Fahranfänger. Flirten mit Passanten? Jetzt besser nicht. Gleiches Spiel übrigens auch im zweiten Gang.
Zwei Liter höherer Verbrauch als die Norm verspricht
Das Problem des 900-Kubik-Motörchens: Der Turbolader baut den Ladedruck zu behäbig auf, der Motor setzt die Befehle aus dem rechten Fußgelenk nur verzögert um. Es fällt schwer, das Gas richtig zu dosieren. Auch wenn wir versuchen, gleichmäßig im Schritttempo im Verkehr mitzuschwimmen, passiert es bei manchen Geschwindigkeiten, dass wir unbeholfen hoppeln. Und wenn wir endlich auf die Landstraße beschleunigen, fallen wir immer wieder in ein Drehmomentloch. Ob der Benziner mit einem kleineren Wägelchen besser zurechtkommt? Schließlich übernimmt der Micra den aufgeblasenen Dreizylinder vom Partner Renault, der ihn im Twingo einsetzt, genauso wie Daimler in seinem Cityflitzer Smart.
Was der 90 PS starke Turbobenziner gut kann: Er knurrt unter Volllast kernig dreizylindrig. Und wenn wir auf der Landstraße zum Überholen ansetzen, einen Gang zurückschalten und mit über 3.000 Umdrehungen herausbeschleunigen, zieht er flott und problemlos am Vordermann vorbei. Hohe Drehzahlen kann er also. Nur bedeuten die auch immer einen hohen Verbrauch. Die 4,4 Liter Super, die Nissan angibt, sind utopisch. Selbst auf der defensiv gefahrenen FIRMENAUTO-Runde (6,3 Liter) gönnte er sich fast zwei Liter mehr. Auf schnellen Autobahn-Touren sind es sogar neun Liter und mehr –ihm fehlt der sechste Gang.
Apple Car Play nicht für hohe Ausstattungslinien
Fünf Ausstattungslinien gibt es für den Micra. Unseren Testwagen schickte Nissan in der zweithöchsten Linie N-Connecta. Die Sitze sind gut geformt und bequem. Das unten abgeflachte Lederlenkrad liegt gut in der Hand. Und wie wir den Micra bedienen müssen, das haben wir schnell erfasst. Im Armaturenbrett ist lediglich ein sieben Zoll großer Navi-Display, darunter die Klimaregelung. Die wenigen Schalter wirken beruhigend. Trotz des zweifarbigen Cockpits kommt der Micra für einen Kleinwagen recht erwachsen rüber. Nissan verzichtet auf überflüssige Designspielereien – abgesehen vom hochkant in die C-Säule eingesetzten Griff der hinteren Tür.
An der einen oder anderen Stelle sparte Nissan allerdings Details zu viel ein. Wer nicht möchte, dass ihm der kalte Klimastrahl direkt ins Gesicht wirbelt und das Gitter der Lüftungsdüse zur Seite schiebt, der drosselt auch automatisch die Frischluftzufuhr. Ein separates Drehrad fehlt. Genauso wie ein doppelter Laderaumboden. Schwere Getränkekisten müssen so mit viel Kraft aus dem tiefen Kofferraumloch herausgewuchtet werden. Ein doppelter Boden würde zudem die hohe Kante zur umgelegten Rücksitzbank ausgleichen.
Doch am meisten vermissen wir die Apple Car Play Funktion. Die gibt es zwar, leider aber nur für die knapp 1.200 Euro netto günstigere Ausstattungslinie Acenta. Unser Micra N-Connecta hat zwar das fest eingebaute Navigationssystem Nissan Connect, doch mit TMC-Staumeldung ist dieses lange nicht so zielsicher wie Smartphone-Apps samt Echtzeit-Daten. Im Grunde ist die Rechnung einfach. Nehmen Sie den Micra in der günstigeren Ausstattungsvariante Acenta und stecken Sie das gesparte Geld nahezu eins zu eins in den kultivierten 1,5-Liter-Diesel (1.5 dCi, ab 16.126 Euro). Auf den vertraut auch Mercedes in seiner A-Baureihe.