Dashcam-Test Nextbase iQ Mehr als ein Zeuge

Nextbase Daschcam 2024 Foto: Nextbase

Dashcams können mehr als Unfälle aufnehmen. Was das Topmodell von Nextbase kann, zeigt der Praxistest.

Mit einer Dashcam haben Autofahrer den persönlichen Unfallzeugen immer dabei. Die neue iQ von Marktführer Nextbase kann aber noch viel mehr als strittige Schuldfragen bei einem Crash zu klären. Wie der Test zeigt, wirbt der Hersteller nicht ganz zu Unrecht mit der Bezeichnung "intelligenteste Autokamera" – ruft dafür aber auch einen selbstbewussten Preis auf.

Ganz schön teuer

Einfache Dashcams mit Aufprallsensor und Aufnahmefunktion gibt es schon für unter 84 Euro (alle Preise netto). Die iQ kostet im günstigsten Fall stolze 403 Euro. Wer Wert auf extra scharfe Bilder legt, wählt statt der HD-Ausführung das zum Test vorliegende 2K-Modell für 462 Euro oder gleich die 4K-Variante für 504 Euro. Bis auf die Auflösung gibt es keine Unterschiede: In jedem Fall sind die hochauflösende Außenkamera, eine weniger scharfe Innenraumkamera und eine Lautsprecher-/Mikrofoneinheit dabei. Wer den vollen Funktionsumfang nutzen will, muss in allen drei Fällen aber noch ein Abo abschließen, das je nach Umfang zwischen 6 und 8 Euro pro Monat beziehungsweise 59 bis 84 Euro im Jahr kostet.

Dashcam bietet zahlreiche Funktionen

Im Gesamtpaket ist das Nextbase-Topmodell also durchaus eine stattliche Investition. Im Gegenzug bietet die smarte Kamera ein paar Funktionen, die weit über das üblicherweise Gebotene hinausgehen. Zum einen wäre da die Rundumüberwachung während des Parkens ("Smart Sense Parking"), die bei Erschütterungen oder Annäherung eine kurze Aufnahme startet und den Nutzer per Push-Nachricht auf das Handy informiert. Sollte sich bereits ein Dieb im Fahrzeug befinden, kann man ihn über den in den Kamerafuß integrierten Lautsprecher ansprechen und zu vertreiben versuchen. Die iQ wird somit quasi zur Alarmanlage mit Video- und Eingriffs-Funktion, die allerdings auch auf niedrigster eingestellter Empfindlichkeit noch mehrmals am Tag beziehungsweise Abend Fehlalarm schlägt. Warum genau, ist nicht immer erkennbar, in Einzelfällen reicht aber wohl schon ein vorbeifahrendes Auto. Am Ende dürfte hier das Motto gelten: Besser einmal zu viel als einmal zu wenig gewarnt.

Nextbase Daschcam 2024 Foto: Nextbase

Wer den vollen Funktionsumfang nutzen will, muss noch ein Abo abschließen.

"Witness Mode" bei Bedrohungen

Sehr zuverlässig ist hingegen arbeitet der sogenannte "Guardian Mode", der den Halter benachrichtigt, sobald das Auto einen vorher definierten Bereich verlässt. Interessant ist das etwa für misstrauische Familienväter, die ihren Nachwuchs nur im Nahbereich fahren lassen wollen. Für deutsche Nutzer hoffentlich weniger nötig ist der "Witness Mode", der eine Videoverbindung zu einem vorher definierten persönlichen Kontakt herstellt, wenn der Nutzer selbst sich bedroht fühlt – etwa durch andere Verkehrsteilnehmer oder während einer Polizeikontrolle. Voraussetzung ist wie für alle anderen smarten Extras eine gute 4G-Mobilfunkverbindung. Als Provider nutzt Nextbase in jedem Fall Vodafone.

KI erlaubt exakte Konstruktion von Unfällen

In Kürze soll zudem eine KI-gestützte Kameraüberwachung des Verkehrs vor dem Fahrzeug freigeschaltet werden. Sie misst mittels Bilderkennungssoftware beispielsweise Geschwindigkeiten und Distanzen anderer Verkehrsteilnehmer, was eine besonders exakte Konstruktion des Unfallhergangs erlauben soll. Testen konnten wir die Funktion allerdings noch nicht. Gleiches gilt - mangels Anlasses - für die auch aus anderen Nextbase-Kameras bekannte E-Call-Funktion ("Emergency SOS"), die bei einem Unfall einen Notruf absetzt. In Autos ab 2018 ist diese Funktion allerdings immer schon ab Werk an Bord, so dass die Dashcam-Variante nur für ältere Modelle interessant ist.

Dashcam: Wird das Blickfeld des Fahrers eingeschrämkt?

Die viele Technik fordert nicht nur bei der Anschaffung und dem Abo-Modell einen Tribut, sondern auch bei der Gerätegröße und der Art der Installation. Das Gehäuse selbst besteht aus zwei Teilen: der Kamera selbst und einem Fuß mit integriertem Lautsprecher, der an die Windschutzscheibe geklebt wird. Eine Saugnapfbefestigung wie bei anderen Dashcams ist nicht vorgesehen, die iQ soll ja schließlich auch im parkenden Fahrzeug Überwachungsarbeit leisten. Den dafür nötigen Strom bezieht sie über den OBD-Port im Cockpit, ein Betrieb über den Zigarettenanzünder oder einen Akku ist nicht möglich. Ohne Verkabelung und etwas Bastelei geht es also nicht, Nextbase liefert aber Werkzeug und Befestigungsmaterial mit. Zumindest in unserem Testfahrzeug war eine ästhetisch akzeptable Verlegung unter Dachhimmel und A-Säulen-Verkleidung relativ leicht möglich. Auch der Platzbedarf ging in Ordnung – trotz des relativ massigen Gehäuses schränkte die Dashcam das Blickfeld des Fahrers nicht ein.

Foto: Nextbase

Das Gehäuse selbst besteht aus zwei Teilen: der Kamera selbst und einem Fuß mit integriertem Lautsprecher, der an die Windschutzscheibe geklebt wird.

Überzeugende Bildqualität

Im Praxistest zeigte sich die iQ zunächst stark in ihren Kernkompetenzen. Die Bildqualität war im mittelpreisigen Modell gestochen scharf, auch bei Dunkelheit, schlechtem Wetter und in Bewegung war die Darstellung fein und kontrastreich. Kennzeichen beispielsweise sind auch auf größere Entfernung zu erkennen. Die 4K-Variante dürfte noch etwas mehr Details liefern, dringend notwendig scheint das Upgrade aber nicht zu sein. Die Innenraumkamera filmt im 2K- und 4K-Modell mit 1.440 p (1K: 1.080 p), was angesichts des nahen Motivs vollkommen ausreicht. Im Zubehörhandel gibt es zudem eine Heckkamera, die die Frontsicht ergänzt.

Nicht ganz so überzeugend ist die Sprachsteuerung, die im Test auf Deutsch gar nicht funktionierte. Wer sie nutzen will, muss die Gerätesprache auf Englisch stellen, bedient dann aber auch die App in Fremdsprache. Über diese wird die Dashcam auch ganz grundsätzlich gesteuert. Das Auslesen der Aufnahmen läuft ebenfalls über das Handy, alternativ über einen Computer mit Kartenleser. Die Dashcam selbst hat zwar einen kleinen Bildschirm, der aber nur Statusinformationen mitteilt. Gespeichert werden die Daten in der Cloud oder in einer Micro-SD-Karte, die jedoch nur mit einiger Fummelei aus dem fest an der Scheibe installierten Gerät herauszubekommen ist. Bei der Montage sollte man daher tunlichst darauf achten, dass der seitliche Slot gut erreichbar ist und nicht etwa vom Innenspiegel blockiert wird.

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Persönliches Sicherheitsbedürfnis ist ausschlaggeben

Ob sich die Anschaffung der Nextbase iQ lohnt, ist stark vom persönlichen Sicherheitsbedürfnis abhängig. Die auch ohne Abo nutzbare Dashcam-Funktion ist gut, rechtfertigt allein aber nicht die hohen Kosten. Die könnten sich aber für alle Kunden relativieren, für die die Park-Überwachung oder der Geofencing-Modus interessant sind. Etwa, weil man häufiger in dunklen Ecken parkt oder sein Fahrzeug oft verleiht. Das Abo kann in solchen Fällen monatlich gekündigt werden, so dass man die Funktionen auch nur zeitweise, etwa für die Fahrt in den Urlaub, nutzen kann. Interessant könnte die "Roadwatch AI" werden, die ohne weitere Kosten freigeschaltet werden soll.