Änderungen Automotive Aftermarket Chancen und Risiken für Flottenbetreiber

Ersatzteillager 2024 Foto: SydaProduction@viaCanva

Der Automotive Aftermarket steht vor einem Umbruch, mit weitreichenden Folgen für Flotten. Grund: Der EuGH hat die Regeln nicht klar formuliert. Drohen nun höhere Kosten? Experte Paul Kummer von Berylls erklärt die entscheidenden Faktoren.

Der europäische Automotive Aftermarket steht vor einem Umbruch, der weitreichende Folgen für Fuhrparkmanager und Servicebetriebe haben könnte. Der EuGH hat mit dem Urteil C-296/22 vom 05.10.2023, diesen Zugang zwar grundsätzlich festgeschrieben, die Regeln jedoch nicht klar ausformuliert und nicht definiert, wie die Daten von den OEMs für die nicht markengebundenen Werkstätten (IAM) aufbereitet sein müssen. Sie sind teilweise schlecht strukturiert oder werden in Formaten weitergegeben, die eine einfache Verarbeitung in der Werkstatt sehr erschweren. Für die freien Service-Unternehmen entsteht teilweise ein erheblicher Aufwand, der ihre Kosten in die Höhe treibt, was die Arbeit am Fahrzeug unnötig verzögert und verteuert.

Hersteller können Zugang zu Fahrzeugdaten einschränken

Laut einer neuen Studie von Berylls by AlixPartners in Zusammenarbeit mit CLEPA und FIGIEFA bestimmen vor allem zwei Szenarien die künftige Entwicklung: Entweder dominieren die Hersteller weiterhin den Markt und schränken den Zugang zu Ersatzteilen und Daten ein, oder es kommt zu einer Liberalisierung, die den Wettbewerb stärkt und die Servicekosten senkt. Paul Kummer, Aftermarket-Experte bei Berylls, erläutert die potenziellen Auswirkungen auf Flottenbetreiber und betont die Notwendigkeit klarer Regeln im Umgang mit fahrzeuggenerierten Daten, Cybersicherheit und technischer Information.

Szenario 1: Kosten steigen drastisch

Im ersten Szenario, das Paul Kummer und sein Team skizzieren, behalten die OEMs die Kontrolle über den Zugang zu Ersatzteilen und fahrzeuggenerierten Daten. Für freie Werkstätten bedeutet dies, dass sie zunehmend von den Herstellern abhängig werden, um Reparaturen und Wartungen durchzuführen. Die Verfügbarkeit von Ersatzteilen ist dabei ein entscheidender Punkt: Immer mehr Teile sind nur noch über die OEMs erhältlich, da Lizenzen für Werkzeuge und Software oder Patente zurückgehalten werden. Dies führt zu steigenden Kosten, die sich direkt auf die Servicepreise auswirken. Die Studie prognostiziert, dass sich die Werkstattkosten bis 2035 um 35 Milliarden Euro erhöhen könnten, was bezahlbare Mobilität für viele in Frage stellt.

Szenario 2: Mehr Wettbewerb und niedrigere Kosten

Das alternative Szenario, das Kummer beschreibt, basiert auf einer stärkeren Regulierung durch den Gesetzgeber, die den freien Zugang zu Ersatzteilen und fahrzeuggenerierten Daten sicherstellt. Diese Liberalisierung des Aftermarket würde nicht nur den Wettbewerb fördern, sondern auch die Servicekosten stabil halten. Laut der Studie könnten die jährlichen Wartungs- und Reparaturkosten in einem liberalisierten Markt bis 2035 rund zwei Milliarden Euro unter dem derzeit prognostizierten Niveau liegen. Für Flottenbetreiber bedeutet dies kalkulierbare und moderate Kosten, was die langfristige Planung erheblich erleichtert.

Paul Kummer 2024 Foto: Berylls

Paul Kummer, Aftermarkt-Experte bei Berylls.

Schlüsselfaktoren: Datenzugang und Cybersicherheit

Ein weiterer wichtiger Aspekt, den Paul Kummer betont, ist der Zugang zu fahrzeuggenerierten Daten und die Notwendigkeit, diese sicher und effizient zu verwalten. Mit der Zunahme vernetzter Fahrzeuge wird der Zugriff auf Echtzeitdaten für OEMs zu einem strategischen Vorteil, um ihre eigenen Dienstleistungen zu fördern und Kunden an ihre Werkstätten zu binden. Die freien Werkstätten hingegen müssen oft mit unstrukturierten oder schwer zugänglichen Daten umgehen, was die Kosten für Diagnosen und Reparaturen erhöht. Kummer warnt, dass ohne klar geregelten Zugang und ohne einheitliche Standards im Datenaustausch die Unabhängigkeit freier Werkstätten und damit auch die Wahlfreiheit der Flottenbetreiber stark eingeschränkt wird.

Die Rolle des Gesetzgebers

Paul Kummer ruft den Gesetzgeber auf, Maßnahmen zu ergreifen, die eine faire Wettbewerbslandschaft im Aftermarket sichern. Es geht darum, mehr Transparenz und geregelte Zugangsbedingungen zu schaffen, damit nicht nur die Hersteller, sondern auch unabhängige Marktteilnehmer faire Chancen haben. Die Anforderungen an Cybersicherheit und den Schutz fahrzeuggenerierter Daten nehmen zu, und ohne klare Richtlinien wird die Kluft zwischen OEMs und freien Werkstätten weiter wachsen. Flottenbetreiber müssen daher die Entwicklungen im Blick behalten und sich auf mögliche Änderungen einstellen, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Was Flottenbetreiber jetzt wissen müssen

Für Fuhrparkmanager ist die zukünftige Ausrichtung des Automotive Aftermarket von entscheidender Bedeutung. Die Wahl zwischen höheren Kosten unter der Dominanz der OEMs oder einem wettbewerbsorientierten Markt mit liberalisierten Regelungen wird bestimmen, wie Flotten in den kommenden Jahren gewartet und instand gehalten werden. Paul Kummer und die Experten von Berylls by AlixPartners raten daher zu einer genauen Beobachtung der politischen und rechtlichen Entwicklungen, um frühzeitig reagieren und die beste Strategie für den eigenen Fuhrpark entwickeln zu können.

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Hintergrund zur Studie

Im Rahmen der Studie analysierten die Aftermarket-Experten rund um Paul Kummer die Zukunft des Automotive Aftermarket bis zum Jahr 2035. Partner bei der Studie waren CLEPA (Verband der europäischen Automobilzulieferer) und FIGIEFA (europäischer Verband freier Ersatzteilhersteller und -händler). Die Analyse beleuchtet die Dynamik im europäischen Automotive Aftermarket. Denn trotz höchstrichterlicher Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), existiert kein diskriminierungsfreier Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen sowie zu On-Board-Diagnosesystemen.

Der EuGH hat mit dem Urteil C-296/22 vom 05.10.2023, diesen Zugang zwar grundsätzlich festgeschrieben, die Regeln jedoch nicht klar ausformuliert und nicht definiert, wie die Daten von den OEMs für die nicht markengebundenen Werkstätten (IAM) aufbereitet sein müssen. Sie sind teilweise schlecht strukturiert oder werden in Formaten weitergegeben, die eine einfache Verarbeitung in der Werkstatt sehr erschweren. Für die freien Service-Unternehmen entsteht teilweise ein erheblicher Aufwand, der ihre Kosten in die Höhe treibt, was die Arbeit am Fahrzeug unnötig verzögert und verteuert.